Familie Karl Weinmann

Der Kaufmann und Bankier Karl Weinmann, geb. 21.07.1890 in Altenmuhr, war der Sohn des Handelsmannes Bernhard Weinmann und dessen Frau Marie, geb. Wimmelsbacher.
Im Jahr 1914 zog er von Altenmuhr nach Gunzenhausen und wohnte in der Bahnhofstraße 12 bei bei Familie Rosenfelder.
Er arbeitete da wohl schon seit einigen Jahren im Bankhaus Heimann am Marktplatz 16, das David Heimann 1909 zusammen mit Nathan Rosenfelder gegründet hatte.
1920 heiratete Karl Weinmann Nathan's Schwester Lina Rosenfelder, geb. 26.12.1994 in Nördlingen, als Tochter des Handelsmannes Moses Rosenfelder und dessen Frau Therese, geb. Obermeier.

Das Ehepaar bekam zwei Söhne

Berthold Julius *09.02.1922

Max *11.02.1926

Schon als junger Familienvater war Karl Weinmann für die Finanzen der Israelitischen Kultusverwaltung in Gunzenhausen zuständig. Ab 1. Januar 1932 wurde er zum 1. Vorsitzenden der Kultusverwaltung benannt.

1927 erwarb die junge Familie das Haus in der Luitpoldstraße 1 und zog dort ein. Doch schon zwei Jahre später, am 26.07.1929, starb Lina Weinmann mit erst 35 Jahren und wurde auf dem Friedhof der israelitischen Kultusgemeinde in Gunzenhausen beerdigt. Heute steht dort ein Grabstein, den ihre Söhne nach dem Krieg für sie haben aufstellen lassen.

Karl Weinmann heiratete am 17.12.1930 in zweiter Ehe Gretl Eberhardt, geb. am 12.08.1902 in Maßbach.

© Stadtarchiv Gunzenhausen



Schon im Jahr 1934 beschloss die Familie Gunzenhausen zu verlassen. Sie verkaufte im November ihr Haus an den Zahnarzt Dr. Theodor Wißmüller und zog nach München. Als Nachbarn von Max Rosenau hatten sie das Palmsonntagspogrom vom 25. März 1934 aus der Nähe miterlebt und erhofften sich in der Großstadt mehr Sicherheit.
Max Weinmann schreibt: "Ich kann mich noch gut erinnern, dass der Antisemitismus in Gunzenhausen unerträglich wurde, wir konnten uns kaum auf die Straße trauen. Als ich mit meinem Bruder Berthold einmal in der Altmühl badete, wurden wir von uniformierten Nazis untergetaucht (Kinder von 8 und 12 Jahren!)".

Nach drei Jahren in München wanderte die Familie Weinmann nach Argentinien aus. Glücklicherweise so früh, denn zu diesem Zeitpunkt gab es noch kaum Einwanderungsbeschränkungen für Juden, wie sie wenig später viele Länder einführten. Doch Max Weinmann, der damals gerade elf Jahre alt gewesen war, berichtete uns, dass sie schon damals kein Geld mehr hatten mitnehmen dürfen. So habe sein Vater jedem Familienmitglied eine teure Leicakamera gekauft, damit sie diese am Ziel ihrer Reise verkaufen könnten, um wenigstens etwas Startkapital zu haben.

Max Weinmann zu Pferde in seiner neuen Heimat © Familie Weinmann
In einem Brief schreibt Max Weinmann über die folgenden Jahre und die erste schwere Zeit nach der Ankunft in Argentinien:
"Im Juni 1937 emigrierte unsere Familie nach Argentinien praktisch mittellos. Da mein Vater keine Aussicht hatte, eine Stellung als Bankier in Buenos Aires zu bekommen (er konnte die Sprache nicht und war schon herzkrank), fasste er den Entschluss in das Innere des Landes zu den Bergen in der Nähe der Grenze zu Chile zu reisen. Da er dort einen Neffen hatte, wollte er in dieser Gegend ein kleines Geschäft aufmachen ...
Ich ging dann dort in die einzige Schule, die es gab. In dem Dorf gab es keinen Strom, keine Wasserleitung, kein eingerichtetes Bad, die Fußböden in den Häusern waren von Lehm oder Ziegelsteinen; also alles unbeschreiblich primitiv."


Dort in Argentinien eröffnen Gretl und Karl Weinmann ein Geschäft, nennen es 'Bazar Chos Malal' und bekommen einen Sohn.

Peter Samuel *18.10.1938

Nur zehn Jahre später stirbt Karl Weinmann am 27.11.1948, mit erst 58 Jahren. Sein Sohn Max führt zunächst das elterliche Geschäft weiter und heiratet 1958 die junge Edith Strauss aus Stuttgart. Sie ziehen nach Mar del Plata, eine Großstadt am Atlantik und eröffnen dort ein Geschäft, das sie zu einem Kaufhaus vergrößern. Das Ehepaar bekommt zwei Kinder, Lilian und Carlos.
Inzwischen haben sie vier Enkel und verbringen ihren Ruhestand in Mar del Plata.

Der Bruder Berthold lebte in Buenos Aires und war verheiratet mit Lore Schwarz aus Stuttgart. Auch sie haben zwei Kinder, Jorge Eduardo und Graciela.
Peter Samuel Weinmann heiratete Dina Furmann aus Argentinien.

Die drei Weinmann Brüder Berthold, Max und Peter © Familie Weinmann
Max Weinmann und Bürgermeister Gerhard Trautner © Franz Müller

 

Max Weinmann hatte nach dem Krieg einige Male das Grab seiner Mutter auf dem jüdischen Friedhof in Gunzenhausen besucht und auch sein Elternhaus angesehen.
"Wir waren ... in Gunzenhausen und sahen das Schild eines Zahnarztes an dem Haus ... "


Nie hat er gewagt, dieses Haus zu betreten.

Im Sommer 2001 besuchte das Ehepaar Max und Edith Weinmann wieder einmal Deutschland, da die Stadt Stuttgart ihre ehemalige Mitbürgerin Edith Weinmann zusammen mit ihrem Mann für zwei Wochen eingeladen hatte. In dieser Zeit haben sie erfreulicherweise einen Abstecher nach Gunzenhausen gemacht, um sich mit uns zu treffen.
Herr Weinmann schilderte uns sein Leben und beantwortete unsere Fragen. Begleitet wurden sie von Schwester und Schwager Frau Weinmanns, Frau und Herrn Friedenbach.

An einem Podiumsgespräch in unserem Klassenzimmer nahmen neben dem Ehepaar Weinmann auch Bürgermeister Trautner, Stadtarchivar Mühlhäußer sowie Frau Netuschil und Frau Raab teil, die beide etwa gleichaltrig mit Max Weinmann sind und ihr ganzes Leben in Gunzenhausen verbracht haben. Zusammen mit uns versuchten sie, sich an die Zeit des Dritten Reiches in Gunzenhausen zu erinnern und eine Erklärung zu finden für das Verhalten der Menschen damals. So erfuhren wir viel über die Nöte und die Beweggründe der Menschen in dieser Zeit, sowohl aus jüdischer als auch aus christlicher Sicht.
In einem beeindruckenden Plädoyer sagte uns Frau Weinmann:
,Wir hassen nicht, aber wir können auch nicht vergessen. Ich rate euch, nicht zu hassen. Der, der hasst, ist immer der Ärmere. Zwischen den beiden Extremen Hass und Liebe ist viel Raum für andere Formen zwischenmenschlicher Beziehungen, zum Beispiel für Respekt voreinander.'

Frau Raab, Frau Netuschil, Edith Weinmann, Max Weinmann, Bürgermeister Trautner, Stadtarchivar Werner Mühlhäußer und Frau Friedenbach in unserem Klassenzimmer © Franz Müller

Uns alle beeindruckte die noble Haltung von Herrn Weinmann, der darauf bestand, keine Namen zu nennen von Menschen, die er hier als Kind gefürchtet hat, weil sie ihm und anderen jüdischen Mitbürgern damals große Angst eingejagt hatten.
Besonders bewegt war er, als er zum ersten Mal seit der Flucht sein Elternhaus wieder betreten konnte.

1931 © Familie Weinmann                                    2003 © Franz Müller


Nach seiner Rückkehr nach Argentinien schrieb uns Max Weinmann:
"Ich muss gestehen, dass ich sehr beeindruckt war als ich in das Klassenzimmer eintrat und die Photos meiner Eltern und unseres damaligen Hauses sah und die anderen Häuser der damaligen jüdischen Mitbürger.
Beim Lesen des Materials, das mir überreicht wurde, muss ich ja von Dank sprechen, dass unserer Familie nicht das gleiche zugestoßen ist, wie leider so vielen anderen Juden Gunzenhausens, die in den Vernichtungslagern umgekommen sind. Die Verantwortlichen dieser Untaten sind ja zum größten Teil ausgestorben, heute lebt ja Deutschland eine vorbildliche Demokratie und es wäre Unrecht, die Schuld den späteren Generationen zuzuschanzen.
Natürlich kann man das Geschehene nicht vergessen, aber die Schritte zur Versöhnung, welche Sie erwähnen, sind aufrichtig und ich denke, dass das bei fast allen Deutschen der Fall ist.

Ich will mich nochmals bedanken für Ihre so herzlichen Briefe, ich finde keine Worte dafür, Ihnen zu erklären, wie sehr sie mich bewegen. Auch für mich war der kurze Aufenthalt in Gunzenhausen eine ‚Sternstunde’, wie Herr Franz Müller es beurteilt ...
Oft erinnern wir uns an den denkwürdigen Tag in Gunzenhausen. Es hat mich besonders gerührt nach all den schlimmen Taten, die dort geschehen sind so menschliche Wärme zu spüren und so wertvolle Menschen kennen zu lernen. Hoffentlich können wir den Kontakt weiter aufrechterhalten und uns eines Tages wiedersehen."