Familie Philipp Sommer
Philipp Sommer wurde am 12.09.1874 in Heidenheim geboren. Er war der Sohn von Handelsmann Abraham und Helene Salomon, geb. Lippmann. 1905 heiratet er Jette Löwensteiner aus Markt Berolzheim und zwei Jahre später zieht das Ehepaar nach Gunzenhausen. Im gleichen Jahr meldet er dort einen Vieh- und Güterhandel an. Es werden drei Kinder geboren:
- Lina * 8.6.1906
- Josef * 24.4.1910
- Philippine * 23.3.1914
Doch schon vor der Geburt des jüngsten Kindes stirbt Philipp Sommer am 20.11.1913. Fünf Jahre später zieht sein Bruder Salomon von Heidenheim nach Gunzenhausen und betreibt hier einen Viehhandel. Zunächst wohnt er mit im Haus Gartenstraße 8, später zieht er mit seiner Familie in die Hensoltstraße 15.
Die Witwe Jette Sommer lebt weiterhin in der Gartenstraße, obwohl ihre Kinder sehr bald Deutschland verlassen und nach Argentinien bzw. England auswandern. Als Anfang 1938 der Malermeister Oskar Tränkler gerade bei ihr arbeitet, bietet sie ihm an, ihr Haus zu kaufen. Sie möchte zu ihrem Sohn Josef und der Tochter Lina nach Argentinien auswandern. Tochter Philippine lebt in England. Die Quota bestimmte als Ausreisetermin Weihnachten 1938. Erst danach könne die Familie einziehen. Oskar Tränkler nimmt das Angebot von Frau Sommer an, da zum Anwesen eine Scheune gehört und er dort seine Werkstatt einrichten kann.
Seine Tochter Barbara Tränkler berichtete uns:
"Vom Katasteramt bekam er schon die Unterlagen für das Haus und bezahlte die Hypothek für einen Acker in Laubenzedel. Schon im Sommer beginnt er, seine Werkstatt in der Gartenstraße 8 einzurichten. Am 10. November 1938, nach der Pogromnacht, ist er auf dem Weg in seine Werkstatt, da sieht er, wie SS-Leute die Witwe Sommer abführen. Er will dagegen einschreiten, wird daraufhin jedoch selbst bedroht. Im Haus sind Leute aus der Nachbarschaft, die beginnen, Möbel und Sonstiges auszuräumen. Frau Sommer wird abgeführt und die Stadt Gunzenhausen nimmt das Haus in ihren Besitz, obwohl es meinem Vater versprochen war und er schon einen Teil davon bezahlt hatte. 1939 muss er es noch einmal von der Stadt erwerben, einen dazugehörigen Acker in der Wolfgang-Krauss-Straße behält die Stadt jedoch. Heute steht der Kindergarten der Hensoltshöhe dort. Im Januar 1939 kann die Familie endlich in das Haus einziehen. Nach dem Krieg, etwa 1946, beschlagnahmte die Wiedergutmachungsstelle IRSO das Haus, meine Eltern mussten Miete bezahlen und wussten nicht, ob sie es behalten durften."
Daraufhin versuchte die Familie Tränkler mit Frau Sommer und deren Kindern Kontakt aufzunehmen. In Ansbach und Nürnberg forschten sie nach ihrer Adresse, fanden allerdings nichts. Nach etlichen Jahren mussten sie eine Nachzahlung leisten und konnten in dem Haus bleiben.
Ihr Leben lang hat Frau Barbara Tränkler dort gewohnt. Sie meinte, Jette Sommer sei am 01.12.1938 nach Memmingen gezogen und habe wirklich noch an Weihnachten nach Argentinien ausreisen können.
Dank der großartigen Forschungsarbeit von Daniel Burmann wissen wir inzwischen, dass Frau Sommer nicht nach Memmingen, sondern nach München verzogen ist und dort noch 1939 gelebt hat. Ihre Ausreise war also erst später. Offensichtlich hat sie bis ins hohe Alter in Buenos Aires gelebt. Ihre beiden Töchter haben im Ausland ihre Vornamen geändert. Während sie hier im Archiv noch als Lina und Philippine bezeichnet werden, nannten sie sich später Lena und Philippina. Auch das wissen wir aus dem bemerkenswerten Buch, das Daniel Burmann über die 'Juden in Markt Berolzheim' verfasst hat.