Familie Samuel Wolf Rosenfelder

In Gunzenhausen lebten einige Rosenfelder-Familien, die fast alle (bis auf Marktplatz 16) ihren Stammvater in Dittenheim hatten.
Dieser Zweig geht auf Samuel Wolf Rosenfelder zurück, der als Kaufmann in Dittenheim lebte und zusammen mit seiner Frau Klara, geb. Rosenfelder, drei Kinder hatte. Nach der Geburt der Kinder zog die Familie nach Gunzenhausen, ebenso mehrere andere Rosenfelders. Es war dies die Zeit, in der die Gemeinde Dittenheim ihren Juden offensichtlich das Leben schwer gemacht hat, denn bis zum Ende des 19. Jahrhunderts lebte dort keine jüdische Familie mehr.

Der älteste Sohn Levi, geb. am 19.07.1843 in Dittenheim, wurde im Jahr 1872 offiziell als Bürger in Gunzenhausen aufgenommen und kaufte im selben Jahr zusammen mit seinem Bruder Julius das Haus am Marktplatz 48 um 7.700 Florin.

Haus Marktplatz 48 - Bekleidungsgeschäft Rosenfelder
Haus Marktplatz 48 - Bekleidungsgeschäft Rosenfelder
Sigmund Rosenfelder und seine Stiefschwestern Bertha und Metha
Sigmund & seine Schwestern Bertha & Metha

Ein Jahr später, am 2. Dezember 1873, heiratete Levi Rosenfelder in erster Ehe Elise Lieblich, geb. 1848 in Windsbach.
Aus dieser Ehe gingen drei Kinder hervor:

  • Sigmund * 30.05.1876
  • Heinrich * 30.06.1877      + 25.07.1877
  • Eugen * 30.06.1878

Nur der älteste Sohn Sigmund überlebte, die beiden anderen starben schon im Kleinkindesalter. Auch Ehefrau Elise starb im Mai 1880 im Alter von erst 32 Jahren.

Am 6. April 1881 heiratete Levi in Pleinfeld seine zweite Frau Therese Herzog aus Roth. Ihre Kinder waren

  • Bertha * 15.04.1882
  • Anna * 22.09.1883 + 26.101884
  • Metha * 04.04.1885 + KZ Auschwitz

Bertha starb schon im Jahr 1923 in Ludwigsburg, von ihr überlebten zwei Kinder. Der Sohn Walter, geb. 08.05.1907, lebte bis 1980 in Ludwigsburg, der Sohn Fritz bis 1949 in Chile.

Metha kam mit ihrem Mann Simon Dreyfuß im KZ Auschwitz ums Leben, der einzige Sohn Max war schon 1936 in die USA emigriert.

Der Bruder von Levi, Julius Joel Rosenfelder, geb. 17.02.1848 in Dittenheim, heiratet im Jahr 1878 die Schwester seiner Schwägerin Elise, Mina Lieblich, geb. 1851 in Windsbach. Doch auch diese Frau stirbt schon im Alter von 38 Jahren, nachdem sie sieben Kinder geboren hat.

Wilhelm * 22.07.1879 Gunzenhausen + 18.09.1879
Eugen * 22.01.1881 Gunzenhausen  
Albert * 04.05.1882 Gunzenhausen + 16.10.1883
Karolina * 10.07.1883 Gunzenhausen Verschollen in Riga
Heinrich * 31.10.1884 Gunzenhausen + 02.03.1885
Frieda * 06.07.1887 Gunzenhausen KZ Auschwitz
Emanuel * 13.07.1889 Gunzenhausen Verschollen in Litauen
Sigmund und Mina Rosenfelder
Sigmund und Mina Rosenfelder

Auch Julius heiratet noch einmal. Seine zweite Frau wird Clara Blümlein aus Untereisenheim. Diese Ehe bleibt kinderlos.

Als Julius im Jahr 1903 stirbt, erben seine Kinder die Hälfte des Hauses am Marktplatz. Doch schon 1908 verkaufen sie es an ihren Cousin Sigmund, da sie alle in Fürth verheiratet sind. Nur das Schicksal von Eugen ist unbekannt. Er war jedoch möglicherweise der einzige Überlebende dieser großen Familie.
Ab 1908 ist also Sigmund Rosenfelder der alleinige Inhaber des Hauses am Marktplatz 48. Zwei Jahre zuvor hatte er Mina Lehmann, geb. am 27.12.1885 in Gunzenhausen, geheiratet. Sie war die Tochter des Kaufmannes Abraham Lehmann aus der Burgstallstraße und dessen Ehefrau Julie, geb. Iglauer. Die Familie betreibt in ihrem Haus ein Bekleidungsgeschäft.

Anzeige vom 13.09.1912 im "Gunzenhauser Anzeigeblatt"
Anzeige vom 13.09.1912 im "Gunzenhauser Anzeigeblatt"
Das rechte Haus ist das Bekleidungsgeschäft Rosenfelder um 1936
Das rechte Haus ist das Bekleidungsgeschäft Rosenfelder um 1936

Die drei Töchter des Ehepaares werden hier geboren.

Elisa * 23.08.1908 +26.04.1912

Franziska *12.01.1912

Lotte Marie *26.12.1915

Mina Rosenfelder, Franziska & Lotte
Mina Rosenfelder & ihre Töchter Franziska (l) & Lotte (r)

 

Sigmund zieht 1914 als Soldat in den Ersten Weltkrieg und betreibt nach seiner Heimkehr weiterhin das Geschäft. Die Familie ist in der Stadt angesehen und gut integriert. Doch ab Mitte der Zwanziger Jahre beginnen die ersten Repressalien gegen jüdische Mitbürger. Nach dem Pogrom vom 24. März 1934 erkennen sie, dass es besser wäre, das Land zu verlassen. (Siehe unter Familie Teitelbaum)

Lotte Marie und Franziska (Frenzi)
Lotte Marie und Franziska (Frenzi)

Am 16.03.1936 verkauft Sigmund das Haus an das Ehepaar Vogel. Aber erst später, am 09.11.1936, muss die Familie Rosenfelder - Sigmund und Mina mit ihren beiden Töchtern Franziska (25 Jahre) und Lotte Marie (21 Jahre)- ihr Haus verlassen und wandert nach Palästina (heutiges Israel) aus.

Der neue Hausbesitzer, Arthur Vogel, hatte Beziehungen zur Wehrmacht und verkaufte deshalb gebrauchte und neue militärische Kleidung und Stiefel (sog. "Stegwaren").
Später wurde daraus ein Spezialgeschäft für Berufskleidung z. B. für Bäcker, Metzger u. a.

Kurz nach dem Ende des Krieges bekam Familie Vogel die Mitteilung, dass nach einer Entschließung der amerikanischen Militärregierung alles Eigentum, das von jüdischen Besitzern erworben worden ist, unter Sperre und Beaufsichtigung fällt, sofern man nicht den Nachweis erbringen kann, dass der Kauf nicht unter Zwang, Drohung oder in rechtswidriger Weise geschehen ist. Dieser Nachweis muss schriftlich durch den früheren jüdischen Besitzer oder dessen gesetzlichen Erben erfolgen.

Da die Familie Vogel von den früheren Besitzern die nötige Bestätigung nicht erhielt, musste 1958 das Haus noch einmal nachbezahlt werden.

Heute befindet sich in dem Haus eine moderne Boutique der s.Oliver-Kette.

Dana Arditty informiert über die Familie Rosenfelder

Zu Familie Rosenfelder kam zunächst kein Kontakt zustande. Am 7. Februar 2005 erhielten wir von Sigmund und Mina Rosenfelders Enkelin Dana Weinbach-Arditty aus Jerusalem folgende E-Mail mit bislang unbekannten Informationen zur Geschichte der Familie:

Meine Cousine zweiten Grades, Hazel Green, wies mich auf das Forschungsprojekt über Juden in Gunzenhausen an Euerer Schule hin. Ich war fasziniert und begeistert von den Seiten im Internet.

Mein Name ist Dana Weinbach-Arditty, meine Großeltern waren Sigmund und Mina Rosenfelder vom Marktplatz 48. (Mina war eine geborene Lehmann, die Schwester von Ernst Lehmann aus der Burgstallstraße 7). Meine Mutter Franziska Rosenfelder (Frenzi) war deren Tochter.

Ich spreche und lese Deutsch, doch leider kann ich nicht in Deutsch schreiben. Euere Geschichte über das Haus endet mit den Worten: Am 16.03.1936 verkaufte er das Haus und ... Ich werde Euch ein bisschen über das weitere Schicksal der Rosenfelder Familie berichten:

Mein Großvater Sigmund hat die Emigration nicht verkraftet und starb ein Jahr nach seiner Ankunft in Palästina im Jahr 1938. Meine Großmutter Mina (oder wie ich sie nannte: Oma Nona) lebte verhältnismäßig bescheiden, denn sie war mit nur einem kleinen Koffer, in dem ihre persönliche Habe war, angekommen – ohne finanzielle Mittel. Sie hatte keinen Beruf und beherrschte die Landessprache nicht. Im Jahr 1958 starb sie.

Meine Mutter, die in Israel geheiratet hat, hieß jetzt Franziska Weinbach und bekam drei Kinder: Meinen Bruder Benny (Sigmund) 1944, meinen Bruder Giora 1946 und mich, Dana, 1952. Wie sind inzwischen alle verheiratet und haben unsere eigenen Kinder.

Meine Mutter sprach nie viel über die „schlechten Zeiten“ in Gunzenhausen sondern erzählte lieber von der „guten Zeit“ vorher. Das Wenige, das ich weiß, ist, dass die Rosenfelders sehr zufrieden mit ihrem Leben dort waren. Mein Großvater Sigmund diente während des Ersten Weltkrieges in der kaiserlichen Armee und war drei Jahre in französischer Gefangenschaft.

Sigmund Rosenfelder (2. Reihe links) 1916 als Soldat
Sigmund Rosenfelder (2. Reihe links) 1916 als Soldat

Sie waren in erster Linie stolze Deutsche, das Judentum kam erst an zweiter Stelle. Sie begannen unter dem Antisemitismus zu leiden, unter den Pogromen der Nazis und unter der Entfremdung zu den übrigen Einwohnern Gunzenhausens, auch der Freunde, schon vor und besonders nach Hitlers Machtergreifung im Jahr 1933.

Als die Übergriffe begannen, musste mein Großvater Sigmund mehrmals über die Hintertüre aus seinem Haus fliehen, um von den Randalierern nicht gefangen zu werden – Bürger Gunzenhausens. Nachzulesen ist dies in der Aussage des Sohnes der Teitelbaum Familie in der Geschichte von Heinrich und Lara Teitelbaum, in welcher meine Mutter Franziska erwähnt wird.

Laut meiner Tante Lotte hat Frenzi an diesem Abend die Haustüre nicht nur geöffnet, sie hat auch versucht, die Angreifer zurückzuhalten, bis meine Großmutter meinem Großvater geholfen hatte, durch die Hintertüre zu entkommen. Doch sie waren verhältnismäßig zurückhaltend bei der Plünderung und Zerstörung des Hausrates, denn ein Mitglied der Gruppe war ein Klassenkamerad meiner Mutter, der offenbar in sie vernarrt war.

Mein Großvater entfloh, überquerte die Altmühl hinter dem Haus und rannte über die Felder. Er blieb weg, bis sich die Lage beruhigt hatte.

Andererseits half ihnen eine Nachbarin, sie hieß Emma, den Familiennamen weiß ich leider nicht, mit Lebensmitteln und unterstützte sie immer dann, wenn sie nicht aus dem Haus gehen konnten in dieser schlimmen Zeit von 1933 bis 1936. Sie war die Einzige, die ihnen geholfen hat.

Laut meiner Mutter ist das Haus Marktplatz 48 für eine sehr geringe Summe verkauft worden, die kaum reichte, um die Reisekosten nach Palästina zu bezahlen. Trotzdem waren sie glücklich, die Einreiseerlaubnis nach Palästina – unter britischem Mandat – erhalten zu haben und so dem schrecklichen Tod in einem der Konzentrationslager entkommen zu sein.

Meine Großeltern Sigmund und Mina haben die Emigration nie ganz verwunden. Sie lebten weiterhin ein deutsches Leben – so gut es eben ging. Sie sprachen, lasen und schrieben nur deutsch und sie kochten deutsch, wenn es möglich war. Auch meine Mutter begann ihr neues Leben mit viel Nostalgie zu dem „früheren“ Gunzenhausen, ebenso meine Tante Lotte mit ihren drei Kindern. Leider sind beide Schwestern nicht mehr unter uns.

Ich war 16, als ich mit meiner Mutter, meinem Vater und meinem Bruder Giora Gunzenhausen besuchte. Wir baten meine Mutter an der Haustüre von Marktplatz 48 zu klopfen, damit wir vielleicht das Haus von innen sehen könnten. Doch sie wagte es nicht. Noch jetzt, nach 33 Jahren, hatte sie Angst und war nicht in der Lage, es zu tun.

Schon vorher war sehr viel Überredung nötig gewesen, damit sie überhaupt bereit war, Gunzenhausen zu besuchen. Sie weinte sehr viel und wollte später nie mehr dorthin zurückkehren. Meine Tante Lotte hat sich stets geweigert, nach Gunzenhausen zu fahren.

Die Bilder Nr. 6 und 7 zeigen ziemlich sicher beide meine Tante Lotte. Eines ist mit Brille – eines ohne. Ich sende ein Bild von meiner Mutter mit – Frenzi Rosenfelder – aufgenommen im Jahr 1939.

Franziska (Frenzi) Rosenfelder im Jahr 1939
Franziska (Frenzi) Rosenfelder im Jahr 1939

Es tut mir leid, dass es eine so traurige Geschichte ist, doch es waren schreckliche Tage. Trotzdem bin ich wirklich stolz auf Euch, Euere Lehrer und Euere Schule, dass ihr die traurige Geschichte Euerer und meiner Vorfahren erforscht und Euch damit beschäftigt.

Ich würde mich freuen, mit Euch zu sprechen, Euere Fragen zu beantworten und Euch die Bilder zu zeigen, die ich noch habe.
Und ich würde mich freuen, Euch als meine Gäste nach Jerusalem in Israel einzuladen, wo ich lebe.

Viele Grüße Dana Arditty

Franziska Rosenfelders Personalausweis
Franziska Rosenfelders Personalausweis