Familie Nathan Rosenfelder
Nathan Rosenfelder, gelernter Kaufmann und Bankier, wurde am 23.11.1881 als Sohn des Handelsmannes Moses Rosenfelder und seiner Frau Therese, geb. Obermeier, in Aufhausen geboren.
Im Nachbarort Oberdorf heiratet er am 28.01.1909 Selma Heimann, die Schwester des Kaufmannes David Heimann. Die Eltern der beiden waren Urias und Clothilde Heimann aus Bopfingen.
David Heimann war mit Bertha Rosenfelder verheiratet, der Schwester von Nathan Rosenfelder. Durch einen Hinweis von Andrea Kugler vom Stadtarchiv Nördlingen entdeckten wir das Bild von der Doppelhochzeit der beiden Paare. Es wurde vom Leo Baeck Institut ins Netz gestellt und ist Teil der 'Sammlung Karl L. Heiman AR 10032'.
Obwohl Nathan Rosenfelder schon 1907 von Nördlingen nach Gunzenhausen gezogen war, erhielt er dort erst am 10.01.1919 das Bürgerrecht. Zusammen mit seiner Frau Selma hat er drei Kinder:
- Hertha, *13.06.1910
- Manfred, *11.05.1913
- Ulrich, *14.07.1919
Die Familie wohnte im Haus Marktplatz 16. Dort hatte 1899 schon Selma Rosenfelders Vater, Urias Heimann, ein Schnittwarengeschäft eröffnet, das 1901 auf seinen Sohn David überging, der es im Jahr 1902 kaufte.
Er hatte eigentlich in Oberdorf bei Bopfingen gewohnt, wo seine Eltern ein Geschäft betrieben hatten, von dem uns ein Nachfahre der Familie ein Foto zusandte. Das Haus existiert in veränderter Form heute noch und hat über der Haustüre das Baujahr 1887 stehen. Daran sehen wir, dass es vom Vater Urias Heimann erbaut worden ist. Diesen Hinweis erhielten wir freundlicherweise von der Familie des heutigen Besitzers.
Das Bild links ist um 1935 entstanden, wir erhielten es von Menachem Katten, einem Enkel der Rosenfelders. Das Bild rechts ist aus Google Maps vom 1. Juli 2024
Nachdem David Heimanns Schwester Selma den Bankier Nathan Rosenfelder geheiratet hatte, beschlossen sie im Jahr 1909 in dem Haus eine Bank zu eröffnen. Das Anwesen wurde in diesem Jahr auf Selma überschrieben. Kurz danach ist ihr Mann Nathan als Mitbesitzer eingetragen.
Interessanterweise wurde es offiziell als ‚Bankhaus D. Heimann’ bezeichnet, obwohl in der Familie Heimann kein Bankier war. Zeitzeugen sprechen heute von der 'Rosenfelder Bank' oder 'beim Rosenfelder'.
Auch Nathan Rosenfelder schien aus einer wohlhabenden Familie zu kommen, denn Theodor Harburger fotografierte 1927 ein Toraschild in der Synagoge von Gunzenhausen, das von einer Familie Rosenfelder stammt. In Band 1 der ‚Inventarisierung jüdischer Kunst- und Kulturdenkmäler in Bayern’ (1998) steht dazu:
„An den beiden von Harburger fotografierten Gunzenhausener Tora-Schildern, die vor einigen Jahren anonym dem Jüdischen Museum Franken übergeben wurden, lässt sich die These von Tora-Schmuck in Familienbesitz exemplarisch belegen. So stiftete beispielsweise der aus Aufhausen in Württemberg stammende Bankier Nathan Rosenfelder zusammen mit seiner Frau Selma nach seinem Zuzug von Nördlingen im Jahr 1907 ein mitgebrachtes, um 1680 gefertigtes Tora-Schild (Abb. 233) für die Gunzenhausener Synagoge und ließ es mit einer entsprechenden Widmungsinschrift auf der Rückseite versehen.“
1920 heiratet die Schwester von Nathan, Lina Rosenfelder aus Nördlingen, den Bankier Karl Weinmann aus Altenmuhr. David Heimann erwirbt für das Ehepaar das Haus in der Luitpoldstraße 1 und der Schwager wird mit in das Bankhaus aufgenommen. Es heißt nun Heimann-Rosenfelder-Weinmann.
Im Dachgeschoss des gleichen Hauses lebte die Familie Arold, deren drei Kinder zusammen mit den Rosenfelder Kindern aufwachsen.
Die Tochter der Familie Arold, heute Frau Kleinschmidt, berichtete uns aus dieser Zeit, dass die Familie Rosenfelder sehr wohlhabend gewesen sei. Wenn Frau Selma Rosenfelder beim Einkaufen einen bedürftigen Menschen gesehen habe, habe sie für diesen stets etwas einpacken lassen.
Auch sie selbst habe als kleines Mädchen Naschereien von Frau Rosenfelder bekommen, die in ihrer Familie nicht üblich gewesen seien.
Als die Nazis an die Macht gekommen waren, hätte man mit der jüdischen Familie nicht mehr öffentlich sprechen dürfen. Ihr Vater, Herr Arold, habe sich daher mit Herrn Rosenfelder stets im Hof oder auf der Treppe getroffen, um mit ihm die Lage zu besprechen. Dabei habe er Nathan dringend geraten, das Land zu verlassen.
Doch die Familie habe sich nur sehr schwer dazu entschließen können. Zuerst seien die Kinder weggeschickt worden, doch 1934 habe sich dann doch die ganze Familie nach Stuttgart abgemeldet, in der Hoffnung, in einer Großstadt unbehelligt leben zu können. Doch schon kurze Zeit später sei die Familie in die USA emigriert.
Beide Brüder und ihre Familien wurden im "Deutschen Fahndungsbuch" von 1939 wegen Steuerflucht aufgeführt und durch die Staatsanwaltschaft Stuttgart zur Fahndung ausgeschrieben.
Der Bruder Max Rosenfelder wurde mit seiner Familie am 01.04.1940 "ausgebürgert" (RAZ Nr. 84 vom 10.04.1940). Nach diesen Quellen war er verheiratet mit Martha, geb. Guckenheimer, * 23.07.1901 in Dinkelsbühl
Kinder:
- Manfred, * 19.11.1925 in Nürnberg
- Ernst, * 27.05.1927 in Nürnberg
Nathan Rosenfelder wurde mit seiner Familie am 10.11.1939 "ausgebürgert" (RAZ Nr. 267 vom 14.11.1939).
Doch die Nachkommen zu finden, war nicht einfach, denn beide Söhne hatten ihre Namen stark verändert. Tochter Hertha hat in den USA geheiratet und hieß dann Herta Katten. Sie ist jedoch inzwischen verstorben, ebenso wie ihre beiden Brüder.
Manfred nahm in den USA den Nachnamen ,Rost' an und lebte mit seiner Familie in Princeton, New Jersey.
Ulrich hat in Israel seinen Namen völlig geändert, er nannte sich Uri Vered und lebte in Holon.
Erst durch Frau Kleinschmidt, die heute noch mit den Familien in freundschaftlichem Kontakt steht, erfuhren wir die neuen Namen und Adressen.
Von beiden Brüdern leben heute noch die Witwen und Kinder.
Wir freuen uns über den Kontakt zu Frau Helene Vered aus Holon in Israel und danken ihr sehr für die Bereitschaft, uns so offen Auskunft über das Schicksal ihrer Familie zu geben. Die unten abgedruckten Briefe zeigen die weit verzweigten Wege dieser Familie auf, die wir ohne Frau Vereds Hilfe niemals erfahren hätten.
Nazis gingen am 24. März 1934 in das Haus der Familie Rosenfelder und wollten Nathan erschießen. Er war aber gerade nicht anwesend. Gott sei Dank. Da merkte Nathan Rosenfelder, dass es ernst wurde. Er verkaufte das Haus und übersiedelte sofort nach Stuttgart, mit der ganzen Familie. Dort ging er zum amerikanischen Konsulat und erzählte, was in Gunzenhausen vorgefallen war, damit man das im Ausland auch weiß und vielleicht etwas tun würde dagegen. Der Konsul fragte dann, ob er etwas für ihn tun könne. Nathan Rosenfelder bat ihn, die Bürgschaft zu übernehmen, dass seine Tochter Herta nach Amerika auswandern könne, weil sie ja zu der Zeit keine Verwandte dort hatten. Was der Konsul auch tat.
So fuhr Herta Rosenfelder nach New York und arbeitete in einem Altenheim. Nach einiger Zeit ließ sie ihren Bruder Manfred nachkommen und nach einem Jahr konnten die zwei dann die Eltern und den Bruder Ulrich – Uri nachkommen lassen.
Nathan Rosenfelder ließ dann viele Verwandte nach Amerika kommen und so wurden viele gerettet ... In New York eröffnete Nathan Rosenfelder mit seinem Bruder Max ein Textilwarengeschäft, in dem die ganze Familie mithelfen musste.
Ein Cousin der drei Rosenfelder Kinder, Max Weinmann aus Argentinien, der Sohn von Karl und Lina Weinmann, schrieb uns:
‚Ich weiß, dass Ulrich 1939 ohne Wissen seines Vaters von den USA als Freiwilliger nach dem damaligen Palästina in den Krieg ging. 1948 machte er auch den Freiheitskrieg in Israel mit und baute dort seine Familie auf.’
Das erklärt, warum nach dem Krieg ein Teil der Familie in den USA und ein Sohn in Israel lebte.
Frau Vered, Uris Witwe, schrieb und dazu:
Uri, der jüngste Sohn, wollte schon von Stuttgart aus nach Palästina auswandern, da er aber noch nicht volljährig war, konnte er das nicht ohne Erlaubnis der Eltern. So lernte er in Stuttgart ein halbes Jahr als Elektriker, bis der dann mit den Eltern nach New York fuhr. Dort lernte er weiter als Radiotechniker und machte auch noch andere Kurse, zum Beispiel in Grafik und Kurzschrift. Als man dann 1939 von Krieg sprach, nahm er sein ganzes gespartes Geld, das er mit verschiedenen Arbeiten verdient hatte, und kaufte sich eine Fahrkarte für die Überfahrt nach England mit dem Schiff Queen-Mary. Von England fuhr er nach Marseille und von dort nach Haifa, Palästina. Er hatte ein Touristenvisa, weil man damals kein anderes Visa bekam. Das war im August 1939, in letzter Minute vor Kriegsbeginn. Zum Glück hatte er hier eine Tante, die Schwester seiner Mutter und auch einige Cousins, von denen er gut aufgenommen wurde. Doch die englische Polizei suchte ihn, da sein Touristenvisum inzwischen abgelaufen war. Sie wollte ihn ausweisen. Da musste er seinen Namen ändern und hieß von nun an Uri Vered (Vered bedeutet in hebräisch Rose). Nach einem Monat, den er bei der Tante verbracht hatte, ging er in einen Kibbuz und nach einem Jahr, 1940, ging er zur britischen Armee, von der er im Jahr 1946 entlassen wurde. Uri Vered starb im Jahr 1985.
Ergänzend berichtete Frau Vered im Februar 2003
Nach dem Tod meines Schwiegervaters Nathan Rosenfelder im Jahr 1948 führte sein Bruder Max mit seiner Frau Martha und meiner Schwiegermutter Selma Rosenfelder das Geschäft (in New York) weiter. Dann starb auch Max Rosenfelder. Seine Frau Martha führte das Geschäft noch einige Zeit weiter zusammen mit Selma Rosenfelder. Das wurde den Beiden aber bald zu schwer. So wurde das Geschäft aufgelöst.
Manfred Rost-Rosenfelder hatte ja in Würzburg Jura studiert, musste dann aber anfangs der dreißiger Jahre das Studium abbrechen. So lernte er Feinmechanik, das man in Amerika besser gebrauchen konnte. Er bekam Arbeit im Laboratorium der Universität Princeton, wo er bis zu seiner Pensionierung arbeitete. Noch heute wohnt seine Frau Annie (früher Annelisa) in Princeton. Sie haben vier Kinder.
Da die Familie von Uri und Helene Vered immer in guten Kontakt mit der Familie Kleinschmidt geblieben ist, kam sie schon 1963 nach Gunzenhausen zu Besuch, um die alte Heimat wiederzusehen.
Mein Mann Uri Vered hatte schon in Stuttgart in einer Elektrofirma als Geselle angefangen zu lernen. Er hat dann in Amerika weitergelernt. Nach seiner Entlassung vom Militär 1946 bekam er Arbeit bei der israelischen Elektrizitätsgesellschaft. Leider konnte er nicht weiter studieren an einer technischen Hochschule, weil er Geld verdienen musste, um die Familie zu ernähren. Wir hatten geheiratet und bekamen auch bald einen Sohn und dann noch zwei Töchter. Da fing mein Mann Uri am "British Institut" an zu lernen für die Ingenieursprüfung. Da konnten alle Bürger des englischen Commonwealth schriftlich lernen, zum Beispiel Leute aus Indien und aus Australien und so weiter. Palästina war zu jener Zeit unter englischem Mandat. Er musste einige Jahre lernen bis er dann die Ingenieursprüfung bestand. Er arbeitete 30 Jahre bei der Elektrizitätsgesellschaft.
Die Tochter Herta Rosenfelder heiratete in New York Julius Katten, der aus Halsdorf in Hessen stammte. Sie hatten einen Sohn, Elmer Menachem, der 1978 nach Israel kam und jetzt in einer Siedlung wohnt. Er kam mit seiner Frau Hanna und zwei Kindern hierher und sie bekamen hier noch vier Kinder, wovon zwei Töchter schon verheiratet sind. Seine Mutter Herta war nach dem Tod ihres Mannes ganz allein in New York geblieben. Als sie krank wurde und nicht mehr allein sein konnte, kam sie auch nach Israel. Sie wohnte noch einige Jahre in Jerusalem, wo sie auch starb und beerdigt ist. Elmer rief mich vorige Woche an, um mir mitzuteilen, dass er alles im Internet gesehen hat. Er freute sich sehr darüber und lässt Ihnen allen danken.
Hertha Katten hat nach dem Krieg Fred Dottenheimer ausfindig gemacht und ihm von dem Koffer bei Frieda Wiedmann erzählt.
Sehr interessant für uns war es auch, etwas über David Heimann zu erfahren, von dem wir noch immer nicht wissen, wann und warum er Gunzenhausen verlassen und wieder nach Oberdorf zurückgekehrt ist. Seine Familie hatte dort ein Textilunternehmen. Es ist anzunehmen, dass er in dem Geschäft in Gunzenhausen, ebenso wie vorher sein Vater Urias, Produkte der Firma Heimann aus Oberdorf verkauft hat. Nachdem das Stoffwarengeschäft aufgelöst und in dem Haus eine Bank eröffnet worden war, scheint er sich um 1910 wieder in Oberdorf niedergelassen zu haben, obwohl er weiterhin Mitbesitzer des Bankhauses war.
Thorarolle der Familie Heimann
Diese Familienthora ließ Chaim Loeb Heimann 1872 in Wien anfertigen. Die Thora reiste mit David, Berta und Karl Heimann im August 1939 von Oberdorf in die USA.
Während des Zweiten Weltkrieges stellten die Heimanns die Thorarolle jüdischen Soldaten zum Gebrauch in einer Synagoge bei Fort Dix zur Verfügung.
Zur Eröffnung der Gedenk- und Begegnungsstätte in Oberdorf im Jahr 1993 hat Karl Heimann die Thorarolle dem Trägerverein als Dauerleihgabe übergeben.
Heute ist in der renovierten Synagoge in Oberdorf die Thorarolle der Familie David Heimann eines der wertvollsten Ausstellungsstücke.
Frau Vered schrieb uns über das Schicksal der Familie Heimann:
David Heimann wanderte nach seiner Entlassung aus Dachau mit seiner Frau Berta nach Amerika aus. Er baute sich mit seinem jüngsten Bruder Hermann eine Hühnerfarm in New Jersey in dem Ort Lakewood auf. David Heimann hatte drei Söhne, Heiner der Älteste kam schon anfangs der dreißiger Jahre nach dem damaligen Palästina. Erst war er in einem Kibuz, nach seiner Heirat wohnte er in einem Dorf und hatte eine Hühneraufzucht. Er ist vor einigen Jahren gestorben. Zwei Söhne von David Heimann wohnten in New York: Udo-Martin und Karl Heimann. Udo-Martin ist auch schon gestorben und Karl lebt noch in New York. David Heimann wurde weit über 90 Jahre alt.
Das Haus Marktplatz 16 erwarb 1934 die Gewerbe- und Landwirtschaftsbank Ansbach um 34.000 RM. Sie eröffnete dort eine Bankfiliale.
1982 gelangte es in den Besitz der Firma Stingl, die dort ein Juweliergeschäft eröffnete. Heute ist Ralf Tröster der Eigentümer, der dort ebenfalls ein Juwelier- und Optikergeschäft betreibt.